Symptome einer Zecken-induzierten Fleischallergie
Eine ungewöhnliche Reaktion: Die Fleischallergie nach Zeckenbiss - Das Alpha-Gal-Syndrom
Das Alpha-Gal-Syndrom - eine seltene Fleischunverträglichkeit
Allergien kennzeichnen sich durch eine überschießende (hypersensible) Abwehrreaktion des Immunsystems gegenüber eigentlich harmlosen, fremden Substanzen, die als Allergene fungieren. In unseren Breitengraden assoziieren die meisten Menschen damit wohl primär die allgegenwärtige Pollenallergie oder Unverträglichkeiten auf bestimmte Nahrungsmittel, beispielsweise Erdnüsse.
Der zugrundeliegende Mechanismus ist bei sämtlichen allergischen Zuständen identisch: Das körpereigene Abwehrsystem kommt erstmals mit einem Allergen in Kontakt, stuft dieses irrtümlicherweise als Bedrohung ein und leitet Gegenmaßnahmen ein. Dieser Prozess wird als Sensibilisierungsphase bezeichnet. Bei zahlreichen Allergien werden dabei spezifische Abwehrstoffe, sogenannte Antikörper oder Immunglobuline, produziert. Diese Immunglobuline (Ig) aktivieren bei zukünftigen Begegnungen mit dem betreffenden Allergen das Immunsystem, was schließlich zu einer allergischen Reaktion mit deutlichen körperlichen Beschwerden führt.
Das Alpha-Gal-Syndrom (AGS) wird in der allergologischen Fachwelt als eine der bemerkenswertesten Erkenntnisse des letzten Jahrzehnts betrachtet. Während die Mehrzahl der Allergene aus bestimmten Eiweißmolekülen (Proteinen) besteht, richtet sich die allergische Attacke bei Individuen mit Alpha-Gal-Syndrom gegen ein Zuckermolekül - genauer gesagt, gegen die Galaktose-alpha-1,3-Galaktose, kurz: Alpha-Gal.
Bei Alpha-Gal handelt es sich um einen Zucker, der im Tierreich weit verbreitet ist. Er findet sich im Gewebe der meisten Säugetiere, mit Ausnahme des Menschen und seiner direkten Verwandten wie den Primaten.
Individuen, die am Alpha-Gal-Syndrom leiden, haben nach einem früheren Kontakt mit diesem Zucker spezifische Immunglobuline gegen Alpha-Gal im Körper gebildet, auch bekannt als spezifisches Immunglobulin E (sIgE). Die Immunisierung des körpereigenen Abwehrsystems gegenüber diesem Zucker hat zur Folge, dass bei einer erneuten Exposition, beispielsweise durch den Konsum von Fleisch von Säugetieren (wie Rind, Schwein, Lamm etc.), eine allergische Reaktion ausgelöst wird.
Ursache der Fleischallergie: Der Zeckenstich
Aber warum erkennt der Körper Alpha-Gal plötzlich als eine fremde Substanz, die abgewehrt werden muss, obwohl die betroffenen Personen jahrelang ohne negative Auswirkungen Fleisch verzehrt haben? Nach dem aktuellen wissenschaftlichen Verständnis wird die Produktion von sIgE gegen Alpha-Gal nicht durch den Verzehr von Fleisch ausgelöst, sondern vielmehr durch Einflüsse aus der Umwelt - präziser ausgedrückt, durch Zeckenbisse.
Wenn eine Zecke einen Menschen sticht, kann das im Zeckenspeichel enthaltene Alpha-Gal in den Blutkreislauf gelangen, die Produktion von IgE ankurbeln und auf diese Weise das Immunsystem des Betroffenen sensibilisieren. Diese initiale Sensibilisierung allein zeitigt noch keine wahrnehmbaren Auswirkungen oder Symptome. Erst bei einer nachfolgenden Begegnung mit Alpha-Gal, typischerweise durch den Verzehr von Fleisch, kommt es zu einer allergischen Reaktion.
Die genaue Art und Weise, wie Alpha-Gal in Zecken gelangt, ist noch Gegenstand intensiver wissenschaftlicher Erforschung. Verschiedene Theorien werden in der gegenwärtigen Allergieforschung diskutiert: Der Zucker könnte ein integraler Bestandteil des Speichels der Zecken sein. Es ist jedoch auch denkbar, dass er zuvor durch den Stich eines Säugetiers aufgenommen und anschließend auf den Menschen übertragen wird. Eine weitere Möglichkeit ist, dass der Zucker aus Mikroorganismen wie beispielsweise Bakterien stammt, die üblicherweise in Zecken vorkommen.
Das Alpha-Gal-Syndrom - Es besteht Handlungsbedarf nicht nur bei Fleisch
Einige Personen, die vom Alpha-Gal-Syndrom betroffen sind, zeigen auch Unverträglichkeiten gegenüber Milchprodukten und deren Derivaten wie Sahne, Joghurt, Butter und Käse. Ähnliches gilt für Produkte, die Gelatine enthalten, da auch diese Lebensmittel Spuren des Zuckers Alpha-Gal aufweisen.
Darüber hinaus werden einige Medikamente, darunter bestimmte Verdauungsenzyme, Impfstoffe und Krebstherapeutika, unter Verwendung von Materialien tierischen Ursprungs hergestellt. Dies kann bei einer kleinen Anzahl von Betroffenen ebenfalls allergische Reaktionen hervorrufen. Folglich handelt es sich beim Alpha-Gal-Syndrom nicht ausschließlich um eine Nahrungsmittelallergie, sondern es kann sich auch um eine Arzneimittelunverträglichkeit handeln.
Alpha-Gal-Syndrom - Symptomatische Erscheinungen der Fleischallergie
Das Alpha-Gal-Syndrom kann Personen jeglichen Alters beeinträchtigen. Die allergische Reaktion manifestiert sich in den meisten Fällen erst zwei bis sechs Stunden nach dem Verzehr von Fleisch von Säugetieren, was sie von anderen, häufigeren Nahrungsmittelallergien unterscheidet, bei denen die Symptome üblicherweise unmittelbar auftreten.
Zu den charakteristischen Anzeichen des Alpha-Gal-Syndroms gehören:
- Hautausschläge (Urtikaria) mit juckenden oder brennenden Hautrötungen und Quaddeln sowie Schwellungen der tieferen Hautschichten (Angioödem)
- Atemprobleme und geschwollene Schleimhäute
- Gefühl des Unwohlseins, Erbrechen
- Verdauungsbeschwerden, Durchfall
- Bauchschmerzen
- Anschwellen der Lippen, der Zunge oder des Rachenbereichs
In gravierenden Fällen kann das Alpha-Gal-Syndrom zu einer Anaphylaxie führen. Diese akute und potenziell lebensbedrohliche allergische Reaktion zeichnet sich durch eine Verengung der Atemwege, die zu Atembeschwerden führt, Schwindel, einen Abfall des Blutdrucks und Bewusstlosigkeit aus.
Die medizinische Wissenschaft geht davon aus, dass diverse Faktoren die individuelle Ausprägung und die Schwere der Allergie beeinflussen können, darunter beispielsweise körperliche Anstrengung, die Einnahme von Medikamenten sowie Alkoholkonsum.
Alpha-Gal-Syndrom: Ist ein vollständiger Verzicht auf Fleisch für Betroffene unumgänglich?
Der Alpha-Gal-Zucker ist nicht in allen Fleischsorten in gleicher Weise präsent. Daher können Geflügelfleisch und Fisch von Personen mit Alpha-Gal-Syndrom weiterhin ohne Bedenken konsumiert werden. Die Art der Zubereitung oder der Erhitzungsgrad von Fleisch von Säugetieren hat hingegen nur geringfügige oder keine Auswirkungen auf dessen Alpha-Gal-Gehalt und somit auf sein Potenzial, allergische Reaktionen auszulösen.
Innereien, insbesondere Nieren von Schweinen und Rindern, weisen besonders hohe Konzentrationen des Alpha-Gal-Zuckers auf und führen daher oft zu rascheren und intensiveren allergischen Reaktionen. Aus diesem Grund ist es ratsam, dass Betroffene des Alpha-Gal-Syndroms den Verzehr von Innereien meiden.
Therapiemöglichkeiten beim Alpha-Gal-Syndrom
Aufgrund der zeitverzögert auftretenden Symptome nach dem Fleischkonsum ist die Verbindung für viele Betroffene nicht unmittelbar erkennbar, weshalb sie zunächst andere Ursachen in Erwägung ziehen.
Eine gesicherte Diagnose des Alpha-Gal-Syndroms erfordert wiederholte allergische Reaktionen nach dem Verzehr von Alpha-Gal-haltigen Lebensmitteln wie Fleisch oder möglicherweise Milchprodukten, begleitet von einem positiven Testergebnis im Blut auf Alpha-Gal-spezifisches IgE. Alternativ zum Bluttest kann auch ein intradermaler Allergietest zur Klärung beitragen, bei dem geringe Mengen des allergenen Alpha-Gals unter die Haut injiziert werden.
Der vollständige Verzicht auf die betreffenden Fleischprodukte stellt für Individuen mit Alpha-Gal-Syndrom den einzigen Weg dar, allergische Reaktionen dauerhaft zu verhindern. Eine kleine Gruppe betroffener Personen sollte zusätzlich auf jegliche Form von Milchprodukten sowie auf Gelatine verzichten.
In seltenen Fällen, insbesondere bei Personen, die trotz Ernährungsumstellung weiterhin Symptome aufweisen, kann eine begleitende medikamentöse Behandlung mit Antihistaminika oder entzündungshemmenden Präparaten zur Minderung der allergischen Reaktion ergänzend eingesetzt werden.
Bei der großen Mehrheit der Menschen, die am Alpha-Gal-Syndrom erkrankt sind, sinkt die Konzentration des Alpha-Gal-spezifischen IgE im Blut im Laufe der Zeit wieder ab. Dies ermöglicht es ihnen, Fleisch von Säugetieren wieder in ihre Ernährung zu integrieren, ohne allergisch darauf zu reagieren. Der hierfür benötigte Zeitraum variiert beträchtlich zwischen den Betroffenen, jedoch wurde eine Reduktion der IgE-Konzentration im Blut und damit einhergehend eine Besserung der Symptome bereits nach drei bis sechs Monaten beobachtet.
Voraussetzung hierfür ist, dass keine erneuten Zeckenstiche stattgefunden haben, die Reaktionen auf Alpha-Gal auslösen könnten. Diese könnten die Blutkonzentration des IgE aufrechterhalten oder sogar erhöhen und somit zu einer Verlängerung bzw. Verstärkung der Fleischallergie führen. Aus diesem Grund kann es für Personen mit Alpha-Gal-Syndrom medizinisch ratsam sein, die Konzentrationen des Alpha-Gal-spezifischen IgE im Blut zweimal jährlich kontrollieren zu lassen.
Alpha-Gal-Syndrom - Präventionsstrategien zum Schutz vor Zeckenstichen
In ländlichen und vorstädtischen Umgebungen gestaltet es sich oft schwierig, Zeckenbisse gänzlich zu vermeiden. Darüber hinaus sind bestimmte Berufsgruppen, beispielsweise im Wald- und Forstsektor, einem erheblich erhöhten Risiko für Zeckenkontakte ausgesetzt.
Geeignete Kleidung und chemische Schutzmittel wie Sprays können hier Abhilfe schaffen und einen Schutz vor Zeckenbissen gewährleisten.
Dies dient nicht nur der Prävention des Alpha-Gal-Syndroms - Zecken sind Vektoren für eine Vielzahl anderer Erkrankungen wie Borreliose und FSME.
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Das Alpha-Gal-Syndrom - Eine Fleischallergie auch in Deutschland existent?
Im nordöstlichen und südlichen Teil der USA wird das vermehrte Auftreten des Alpha-Gal-Syndroms hauptsächlich mit den Bissen der dort endemischen Lone-Star-Zecke in Verbindung gebracht. In den zurückliegenden Jahren sind Fälle von Fleischallergien aus allen Teilen der Welt bekannt geworden. Die Häufigkeit dieser Fälle war jedoch zwischen den verschiedenen Regionen stark unterschiedlich. Diese spezifischen Fälle des Alpha-Gal-Syndroms lassen sich nicht auf die erwähnte Zeckenart zurückführen, da die Lone-Star-Zecke ausschließlich in Nordamerika vorkommt.
Allerdings konnte der Alpha-Gal-Zucker bereits in anderen Zeckenarten in diversen Regionen der Welt nachgewiesen werden, einschließlich des Gemeinen Holzbocks, der am weitesten verbreiteten Zeckenart in Deutschland und Europa.
Da in Deutschland keine Meldepflicht für Fälle des Alpha-Gal-Syndroms besteht, ist die genaue Anzahl der Betroffenen schwer zu ermitteln. Die Europäische Stiftung für Allergieforschung berichtete im Jahr 2019 von etwa 100 Fällen. Da der Übertragungsweg in Deutschland insgesamt noch wenig erforscht ist, ist jedoch von einer höheren Dunkelziffer auszugehen.
Folglich gilt: Wenn Sie nach dem Verzehr von beispielsweise Rind- oder Schweinefleisch eine allergische Reaktion bei sich feststellen, selbst wenn diese erst nach mehreren Stunden auftritt, oder wenn Sie ungewöhnliche Hautreizungen nach einem Zeckenstich bemerken, sollten Sie zur Abklärung eine allergologische Fachpraxis aufsuchen.
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