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Dr. Stöcker: Vakzinentwicklung und Genehmigungsprobleme

Nachdem er sein auf Labordiagnostik spezialisiertes Unternehmen für beachtliche 1,2 Milliarden Euro veräußert und den Lübecker Flughafen erworben hatte, widmete er sich der Entwicklung eines Vakzins gegen das Coronavirus. Dieses Vorgehen von Winfried Stöcker traf einerseits einen sensiblen Punkt, sorgte aber andererseits für erhebliche Kontroversen. Welche Umstände führten zu dieser Situation?

Ein global führendes deutsches Unternehmen, Biontech, war federführend bei der Kreation eines der wirkungsvollsten und am weitesten verbreiteten COVID-19-Impfstoffe. Jedoch beteiligten sich an der Entwicklung von Vakzinen nicht lediglich die Großkonzerne. So tritt beispielsweise auch Winfried Stöcker hervor, eine Persönlichkeit, die als Medizinprofessor, Unternehmer und unermüdlicher Einzelkämpfer bekannt ist. Während er in den östlichen Regionen Deutschlands hauptsächlich als Geldgeber (Investor) wahrgenommen wird, dürften die Bewohner Norddeutschlands ihn primär als Eigentümer des Lübecker Flughafens kennen.

An genau dieser Lokalität erregte er Aufsehen durch eine kontrovers beurteilte Impfmaßnahme. Ihm wird vorgeworfen, dort mehreren Dutzend Probanden ein Vakzin appliziert zu haben, dessen offizielle Genehmigung von den Strafverfolgungsbehörden angezweifelt wird. Infolgedessen wurde die Aktivität seitens der Polizeikräfte über das Wochenende hinweg gestoppt. Wer ist also dieser Mann, der seinen eigenen Flugplatz ohne Zögern in eine Art mutmaßlich unzulässiges Vakzinierungszentrum umwandelte?

Die bemerkenswerte Karriere von Stöcker nahm ihren Ursprung gegen Ende der Achtzigerjahre des letzten Jahrhunderts mit der Etablierung von Euroimmun. Dieses Unternehmen widmet sich der Labordiagnostik und konzipiert unter anderem Methoden zur frühzeitigen Erkennung von Autoimmun- sowie Infektionskrankheiten. Im Jahr Zweitausendsiebzehn (2017) übertrug Stöcker Euroimmun, ein Unternehmen mit rund 3.100 Mitarbeitern an siebzehn (17) weltweiten Standorten, für die beträchtliche Summe von 1,2 Milliarden Euro an einen in den Vereinigten Staaten ansässigen Konzern.

Geschützt durch Eigenentwicklung?

Sobald die COVID-19-Pandemie Deutschland umfassend erfasste, bemühte sich der innovative Laborfachmann um eine aktive Beteiligung am Ringen gegen die Ausbreitung der Krankheit. Es ist jedoch anzunehmen, dass er zum damaligen Zeitpunkt kaum erahnte, wie sein Enthusiasmus letztlich mehr Unannehmlichkeiten als einen echten Mehrwert für die Gesellschaft mit sich bringen würde.

Innerhalb seines privaten Forschungslabors, welches fünfzig Mitarbeiter zählt, entwickelte Stöcker ein spezifisches Antigen. Dieses erprobte er anfänglich an sich selbst, später erstreckten sich die Tests auch auf seine Familienangehörigen und weitere Freiwillige. Er benötigte nach eigenen Angaben nicht mehr als etwa 30 Minuten, um das Vakzin zu fabrizieren. So erklärte er unter anderem bei stern-tv, dass binnen eines Vierteljahres (drei Monate) genügend Vakzin zur Immunisierung der gesamten deutschen Bevölkerung produziert werden könnte, und bezeichnete den Wirkstoff dabei als vollkommen unbedenklich. Eigenen Aussagen zufolge traten bei ihm keinerlei unerwünschte Begleiterscheinungen auf.

Anschließend nahm Stöcker Kontakt mit Christian Drosten auf, dem renommierten Chefvirologen der Berliner Charité. Drosten schlug die Durchführung eines Neutralisationstests vor. Mithilfe dessen lässt sich evaluieren, ob sich spezifische Abwehrstoffe (Antikörper) entwickelt haben, die in der Lage sind, das Coronavirus zu inaktivieren. Die gewonnenen Resultate waren unzweifelhaft, somit konnte der Selbstversuch als Erfolg verbucht werden. Des Weiteren bestätigte das Institut des renommierten Virologen Hendrik Streeck, ansässig in Bonn, die Effektivität des Antigens.

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Diese Erkenntnisse bewogen Stöcker dazu, sich unverzüglich an das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) zu wenden, die in Deutschland die verantwortliche Institution für die Erteilung von Genehmigungen für Impfstoffe und pharmazeutische Produkte ist. Allerdings erhielt er eine Vorladung, die drei (3) Monate später, genauer im Dezember Zweitausendzwanzig (2020), vom Landeskriminalamt Schleswig-Holstein ausgestellt wurde. Das PEI hegte den Verdacht, dass Stöcker das Arzneimittelgesetz verletzt haben könnte, indem er das von ihm kreierte Antigen klinisch evaluierte, ohne dafür die obligatorische Genehmigung im Vorfeld eingeholt zu haben. Infolgedessen wurde seitens des Landeskriminalamtes ein formelles Untersuchungsverfahren gegen ihn in die Wege geleitet.

Gegen diesen Vorgang legte Stöcker Widerspruch ein. Übrigens wird seine juristische Vertretung von dem FDP-Politiker Wolfgang Kubicki wahrgenommen. Kubicki beantragte daraufhin die Beendigung des eingeleiteten Untersuchungsverfahrens. Den Anschuldigungen, sein Mandant hätte eine klinische Studie durchgeführt, widersprach er vehement. Er betonte vielmehr, dass das Präparat lediglich auf ausdrückliches Verlangen der beteiligten Freiwilligen verabreicht worden sei. Aus diesem Grund könne Stöcker strafrechtlich keinerlei Verfehlung angelastet werden. Stöcker äußerte gegenüber dem "Spiegel", dass er mit der Entwicklung des Impfstoffs keine finanziellen Gewinne anstrebe. Vielmehr sei es sein Anliegen, das Vakzin möglichst rasch der breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen, weshalb er einen vergleichsweise ungewöhnlichen Ansatz gewählt habe.

Die Vorgehensweise Stöckers wurde nicht zuletzt auch vom SPD-Gesundheitsexperten Karl Lauterbach kritisch beleuchtet, welcher äußerte: "Sofern weltweit mit höchster Intensität von Fachleuten an einem Impfstoff entwickelt wird, muss man schon äußerst überzeugt von sich sein, um zu meinen, als Einzelperson noch eine entscheidende Rolle spielen zu können. Zudem ist es zutiefst problematisch, wenn Impfungen ohne die notwendige Genehmigung durchgeführt werden, da dies sowohl rechtliche als auch ethische Bedenken aufwirft." Ein derartiges Handeln, so Lauterbach, könne von ihm keineswegs befürwortet werden.

Nicht ausschließlich im wissenschaftlichen Metier, sondern auch darüber hinaus, stellt Stöcker eine vieldiskutierte Persönlichkeit dar. Dies begründet sich primär darin, dass er sich wiederholt kontrovers zur Asylpolitik positionierte und gar zum Sturz der ehemaligen Kanzlerin Angela Merkel aufrief. Dem Nachrichtenmagazin "Spiegel" zufolge wird Stöcker zudem als ein Großfinanzier der Partei AfD geführt. Dennoch hegt er keine Absicht, als Mitglied in die Partei einzutreten.

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