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Schwangerschaft und ständige Erschöpfung

Der besondere Fall
Mehr als nur erschöpft

Bereits zu Beginn ihrer Schwangerschaft bemerkte Sabine Leitner, dass etwas nicht in Ordnung war: "Ich war schon im ersten Monat ausgelaugt, kraftlos, antriebslos und das setzte sich fort."

Kein Vergleich zu ihrer ersten Schwangerschaft: "Beim ersten Mal verlief alles ohne Probleme. Damals bin ich im neunten Monat noch zum Olympiastadion spaziert und habe mir ein Hertha-Spiel angesehen, aber bei der zweiten Schwangerschaft war das überhaupt nicht möglich."

Doch ihr Frauenarzt, dem sie von ihrem Zustand berichtete, hielt die Mattheit und die Schwierigkeiten, sich zu konzentrieren, für normale Begleiterscheinungen einer Schwangerschaft. Folglich schleppte sie sich nach Hause und versuchte trotz ihrer Schlappheit, den Alltag zu bewältigen:

"Dann begannen erste Blutungen, das war bereits im zweiten Monat, und da äußerte ich erneut, dass nun langsam etwas geschehen müsse, und nach zehn Jahren Treue wechselte ich meinen Frauenarzt."

Ein Problem wird erkannt - aber nicht das zweite

Auch ihre neue Frauenärztin konnte keine Erklärung liefern - jedoch stellte sie fest, dass etwas nicht stimmte, und verwies Sabine Leitner daher ins Krankenhaus. Dort stellte man fest, dass die Plazenta, über die der Fötus mit dem Blutkreislauf der Mutter verbunden ist, falsch positioniert war.

"Man teilte mir mit, dass ich eine vorgelagerte Plazenta hätte und dass die Blutung von dort stammen könnte. Es sah so aus - und das könnte sich im Laufe der Zeit noch leicht verschieben -, dass sie sich vollständig vor den Ausgang legt, was diese Schwangerschaft zu einer Risikoschwangerschaft machen könnte."

Mit dieser Information und dem dringenden Rat, sich absolut zu schonen und so viel wie möglich im Bett zu ruhen, wurde sie entlassen.
"Und dann besserte sich mein Zustand allmählich, die Konzentrationsfähigkeit kehrte zurück, ich fühlte mich etwas fitter, aber die Blutungen nahmen stetig zu."
Als sie sich im vierten Monat befand, musste sie ins Krankenhaus eingewiesen werden. Dort stellte man fest: Die Lage war kritisch. Aufgrund der fehlerhaften Positionierung der Plazenta traten die Blutungen auf. Es bestand die Gefahr, dass die Plazenta einreißen könnte - und dass das Kind dadurch nicht ausreichend mit Sauerstoff versorgt würde. Die Mutter könnte verbluten. Von diesem Zeitpunkt an musste Sabine Leitner strikte Bettruhe halten und durfte sich kaum bewegen. Immer wieder wurde überprüft, ob die Blutversorgung für das Kind ausreichte.

"Im vierten Monat wurde bereits mitgeteilt: 'Das wird schwierig. Wir haben praktisch um jeden Tag gekämpft.'"

Das Kind wird zu früh geboren

Eines Tages war es soweit: Starke Blutungen, umgehende Verlegung in den Operationssaal, ein Notfall-Kaiserschnitt.

"Frau Leitners Tochter erblickte in der 27. Schwangerschaftswoche das Licht der Welt; die Schwangerschaft hatte 26 Wochen plus vier Tage gedauert."

Prof. Rainer Rossi, ein renommierter Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin, leitet die Kinderklinik im Berliner Vivantes Klinikum Neukölln. Er erinnert sich: Mit diesem Geburtstermin und einem Gewicht von nur 900 Gramm handelte es sich bei der Kleinen um eine extreme Frühgeburt. Eine Beatmung war unerlässlich, was bei extrem Frühgeborenen keine Seltenheit ist. Doch rasch offenbarte sich: Dies war nicht das einzige Problem:

"Es musste noch etwas anderes vorliegen, da die Symptome nicht ganz in den üblichen Rahmen von Lungenproblemen bei Frühgeborenen passten. Der Verlauf war komplizierter und unerwarteter."

Die Lunge entwickelt sich ungewöhnlich

Bei einigen Frühgeborenen, die eine Beatmung benötigen, tritt eine unerwünschte Veränderung der Lunge auf, bekannt als bronchopulmonale Dysplasie. Doch in diesem Fall schien dies nicht zutreffend zu sein. Eine Röntgenaufnahme der Lunge bestätigte die Bedenken. Rainer Rossi:

"Das Röntgenbild sah einfach etwas anders aus als bei einem Kind mit unreifer Lunge, das diesen Umbau in Richtung bronchopulmonale Dysplasie durchläuft. Und das brachte uns auf diese grundlegende Spur. Anschließend wurden die entsprechenden Untersuchungen eingeleitet."
Rainer Rossi vermutete eine Infektion. Die über beide Lungenflügel verteilten kleinen Entzündungsherde ließen ihn dabei an ein ganz bestimmtes Virus denken:

"Man kann nach einer solchen Infektion suchen, indem man bei der Mutter Abwehrstoffe, also Antikörper, nachweist. Wir stellten bei der Mutter fest, dass sie eine frische Infektion durchgemacht hatte. Beim Kind kann man das ebenfalls untersuchen, aber man kann auch überprüfen: Scheidet das Kind diese Viren im Urin aus. Das lässt sich mit der PCR-Methode, einer molekularbiologischen Technik, relativ gut feststellen."

Nicht nur zu früh, sondern auch krank

Die Ergebnisse bestätigten seinen Verdacht: Ein Virus war der Verursacher, das sogenannte Cytomegalievirus. Sabine Leitner hatte sich während der Schwangerschaft mit diesem Virus infiziert, was ihre Müdigkeit und Konzentrationsschwäche erklärte. Ihr Körper kämpfte gegen das Virus, während er sich gleichzeitig auf die Schwangerschaft vorbereitete. Und auch das ungeborene Kind wurde infiziert. Unter anderem hatte das Virus die Lunge befallen, was die außergewöhnlichen Lungenprobleme verursachte.

"Ab diesem Moment handelte es sich nicht mehr nur um ein extrem frühgeborenes Kind, sondern um ein extrem frühgeborenes krankes Kind, und das veränderte unsere Situation erheblich. Man konnte uns keine Gewissheit geben, ob sie überleben würde; sie hatte massive Atemprobleme und musste sehr lange beatmet werden…", so Sabine Leitner.

Es gibt ein Happy End

Normalerweise ist eine Infektion mit dem Cytomegalie-Virus nicht gefährlich; schätzungsweise jeder zweite Erwachsene in Deutschland hat eine solche Infektion irgendwann durchgemacht, oft unbemerkt, da die Symptome mild oder unspezifisch sind, wie beispielsweise Erschöpfung, leichtes Fieber und Kopfschmerzen. Für ein ungeborenes Kind kann eine solche Infektion jedoch schwerwiegende Folgen haben, wie Hörverlust oder verschiedene Entwicklungsstörungen. Wochenlang war unklar, ob Sabine Leitners Tochter überleben würde. Die ersten Jahre waren eine Herausforderung. Doch Sabine Leitner und ihr Ehemann unternahmen alles Menschenmögliche, um die Kleine zu fördern:
"Ich bin unendlich dankbar für all diese Einrichtungen und Möglichkeiten, denn nach einer speziellen Anfangsphase in einer Förderschule ist nun der ganz normale Weg auf einer Regelschule geebnet, und sie strebt das Abitur an. Sie war von Anfang an eine kleine, aber starke Kämpferin."